Auf Facebook lese ich in mehreren Gruppen mit. Im Normalfall keine gute Idee. Oder kommt das nur mir so vor, als ob viele Leute nur drauf warten würden, andere anzugreifen, zurechtzuweisen, zu kritisieren? Gerade jetzt treffen da viele Meinungen und Emotionen aufeinander. Die einen haben Ängste, die anderen werden nicht müde, die dringend erforderlichen Maßnahmen als #Coronaferien zu bezeichnen. Und wieder andere sind vom Thema “Corona” einfach nur genervt und fordern, doch bitte auch mal die Anzahl der Genesenen zu nennen, damit die Panikmache aufhören solle.
Zahlen, die Hoffnung machen?
Deshalb hier gleich zu Beginn ganz nüchtern die Zahlen aus den Marken:
- 21 Genesene
- 3825 Infizierte
- 452 Todesfälle
Sind das Zahlen, die Hoffnung machen? Panikmache kann es ja nicht sein. Es kann schließlich jeder die Zahlen so interpretieren, wie er möchte. Und ja, 16 Genesene. Das bedeutet vermutlich für 21 Familien große Erleichterung und großes Glück, weil es ihnen nicht so ergangen ist, wie den Familien der 452 Todesfälle und der 169 Personen, die aktuell auf den Intensivstationen liegen.
In Italien sind es insgesamt übrigens:
- 15.729 Genesene
- 77635 Infizierte (nur Anzahl derer, die aktuelle infiziert sind – Todesfälle und Genesene sind hier abgezogen)
- 12.428 Todesfälle
Forderungen nach Lockerung der Ausgangssperre
Kaum steigt die Anzahl der Genesenen, wird auch die Hoffnung größer (und das ist auch gut so). Zeitgleich dazu steigen die Forderungen nach Lockerungen der Ausgangssperre. Insbesondere – so spiegelt es sich wider – in deutschen Facebook-Gruppen, in denen vielfach weiterhin von Panikmache die Rede ist. Und in einem Land, in dem man immerhin noch zum Spazieren nach draußen darf und es keine Anordnungen gibt, die eigene Wohngemeinde nach Möglichkeit gar nicht und Haus oder Wohnung nur aus dringenden Gründen zu verlassen. Wir zum Beispiel dürfen nur noch Supermärkte in der eigenen Heimatgemeinde aufsuchen.
In meinem persönlichen Umfeld hinterfragt niemand mehr die Dringlichkeit der Maßnahmen. Klar gibt es auch hier Unmut – vor allem aber, weil der Wohnraum hier begrenzt ist und viele nur in überschaubar großen Wohnungen wohnen. Uns eingeschlossen. Wohnraum ist hier knapp und teuer. Selbst auf dem Land, wo man in Deutschland vorrangig Einfamilienhäuser findet, gibt es vorrangig Mehrfamilienhäuser. Die Preise dafür ähnlich hoch wie die für Einfamilienhäuser oder Doppelhaushälften in Deutschland. Über Preise in Rom, Bozen oder München sprechen wir an dieser Stelle mal gar nicht. Jedenfalls ist das “Wie lange noch?” hier nicht mit großartigen Forderungen verbunden. Dass das Ansteckungsrisiko groß ist, hat hier fast jeder mitbekommen (von einigen Unbelehrbaren und einigen Jugendlichen, die – ebenso wie wir damals – glauben, unbesiegbar zu sein mal abgesehen).
Was passiert eigentlich mit den Toten?
Und während also einige ihr Leben zwar mit Einschränkungen weiterleben und es nicht abwarten können, wieder mehr Freiheit zu haben und bald wieder (manchmal ist es hier ja schon im April richtig heiß) ans Meer zu können, müssen sich andere mit einer ganz anderen Realität abfinden und einem Jahr 2020, das nicht schlimmer hätte beginnen können. Für die Kritiker und die, die von Panikmache reden, deshalb hier ganz nüchtern ein paar Regeln für Bestattungsunternehmen, über die die Journalistin Franca Giansoldati für “Il Messaggero” zuerst berichtet hat.
Beim Umgang mit den Körpern der Corona-Toten und um eine Infektion zu vermeiden, sind demnach folgende Regeln zu beachten:
- Die Verstorbenen benötigen einen doppelt verstärkten Sarg.
- Die Leiche darf nicht hergerichtet werden. Auch das Waschen, Rasieren, Frisieren oder Umkleiden des Verstorbenen sind ausgeschlossen.
- Der Körper ist unverzüglich in mit Desinfektionsmitteln getränkte Laken einzuhüllen.
- Der Tote darf mindestens zwei Jahre lang nicht exhumiert werden.
Das entspricht auch den Vorgaben nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz zum Umgang mit infektiösen Leichen.
Es gibt mit Stand von heute, 31. März 2020, 18 Uhr, übrigens 15.729 Genesene.
Tag 22 von 24: Unser Tag zu Hause
Dienstag. Wir müssen uns immer mehr vor Augen halten, welcher Wochentag eigentlich ist. Das Zeitgefühl verliert man immer mehr. Der Tag ist Grau in Grau, Wolken, immer mal wieder etwas Regen. Gestern hat der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza verlauten lassen, dass die Ausgangssperre mindestens bis Ostern andauere. Noch warten wir auf die offizielle Bekanntgabe durch den Ministerpräsidenten.
- Post aus Rom: Höchstwahrscheinlich fallen alle geplanten Termine für den April weg. Bedeutet für mich einen enormen Umsatzeinbruch.
- Ich suche Belege für die Steuer (macht anderen vermutlich genauso viel Spaß wie mir).
- Wir lernen etwas Englisch (es gab extra ein paar Kurzgedichte von der Schule).
- Diskussion in der WhatsApp-Gruppe der Eltern: Gehen wir dagegen vor, dass wir weiterhin die volle Kindergartengebühr zahlen müssen, obwohl die Kinder bereits seit einem guten Monat nicht mehr in den Kindergarten konnten? Dann gegen Mittag eine Mail von der Schule: Die Gebühr für den Monat April wird um 35 Prozent reduziert.
- Wir schreiben unsere Einkaufsliste. Der Gefrierschrank ist noch gut gefüllt, im Kühlschrank sieht es anders aus.
- Im Schrank ist noch Tapetenkleister. Luftballons haben wir auch. Spätestens dann, wenn wir wieder auf den Balkon können, machen wir etwas daraus…
- Ein komplettes Kindergartenbuch mit 127 Seiten ist durchgearbeitet. Und wir brauchen bis zum Ende der Ausgangssperre noch viel mehr Material – und Spiele!
Ihr könnt diese Seite natürlich auch ganz einfach teilen, falls Ihr Freunde oder Bekannte habt, die sich für die Situation in Italien interessieren. Passt auf Euch auf! <3
Gepostet von Coronavirus in Italien am Samstag, 14. März 2020
31. März 2020: Die Zahlen des Tages
Diese Zahlen gab der Zivilschutz am heutigen Abend bekannt:
- 837 Tote (12.428 Tote insgesamt in Italien, 25 mehr als gestern).
- 4053 neue Coronafälle (drei Fälle mehr als gestern, jetzt insgesamt 105.792 Infektionen)
- 15.729 Personen gelten als geheilt
- 77.635 Personen sind aktuell erkrankt (4023 davon befinden sich in einem kritischem Zustand)
Situation bei uns in den Marken
In den vergangenen 24 Stunden sind in den Marken 141 weitere Personen positiv getestet worden. Das sind zwar mehr als gestern, allerdings wurden jetzt auch 745 Abstriche getestet.
Bislang wurden 3825 Personen in den Marken positiv getestet (davon sind 452 Personen im Alter zwischen 27 und 97 Jahren verstorben, 21 Personen gelten in den Marken als genesen. Übrigens wurde die erste Person in den Marken am 25. Februar 2020 positiv getestet. Das zeigt auch ganz gut, wie sehr sich die Realität hier im Zeitraum nur eines Monates verändert hat.
Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl in den Marken von 1.525.271 Personen beträgt das Ansteckungsrisiko derzeit 1: 398. Da in Italien davon ausgegangen wird, dass die Dunkelziffer der positiven Personen in etwa zehnmal so hoch ist, ist auch das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches höher als hier angegeben.
Aktuell sind 1115 Personen in den Marken wegen des Coronavirus in den Krankenhäusern untergebracht. Das sind 50 weniger als gestern. 169 liegen auf den Intensivstationen, 299 weitere auf der Intensivzwischenpflege.
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Was bisher geschah:
Leben im Sperrgebiet / Tag 1 von 24 (Italien ist jetzt Sperrgebiet)
Leben im Sperrgebiet: Tag 2 von 24 (Und wenn es Euer Opa wäre?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 3 von 24 (Große Ansteckungsgefahr oder nicht?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 4 von 24 (drohende Versorgungsengpässe, Sonderfall “medizinisches Personal”)
Leben im Sperrgebiet / Tag 5 von 24 (Was man aus der Corona-Geschichte Italiens lernen kann…)
Leben im Sperrgebiet / Tag 6 von 24 (Abläufe und Sicherheit im Supermarkt)
Leben im Sperrgebiet / Tag 7 von 24 (Quarantäne, Betroffene in den Marken, Selbstschutz)
Leben im Sperrgebiet / Tag 8 von 24 (Existenzängste und Einbruch des Tourismus)
Leben im Sperrgebiet / Tag 9 von 24 (Wie funktioniert das jetzt eigentlich mit der Post?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 10 von 24 (Todesursachen und Symptome)
Leben im Sperrgebiet / Tag 11 von 24 (Ansteckungsrisiko und Dunkelziffer)
Leben im Sperrgebiet / Tag 12 von 24 (Zahlen des Zivilschutzes: Warum ist die genaue Benennung der Todeszahlen so wichtig?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 13 von 24 (Welche Firmen müssen schließen?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 14 von 24 (Hilfe aus aller Welt)
Leben im Sperrgebiet / Tag 15 von 24 (Situation in Krankenhäusern / Patienten in kritischem Zustand)
Leben im Sperrgebiet / Tag 16 von 24 (Droht bei Lebensmitteln ein Versorgungsengpass?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 17 von 24 (Leben im Wandel / Situation in Ancona)
Leben im Sperrgebiet / Tag 18 von 24 (Coronavirus als Ursache von Fremdenhass?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 19 von 24 (Was ändert sich für Schulen und Kindergärten?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 20 von 24 (Heute und vor einem Monat…)
Vorsichtsmaßnahmen im Supermarkt
Die Berichte rund um Corona veröffentlichen wir vorrangig in unserer Rubrik Blick ins Ausland. Dort könnt Ihr auch einen Beitrag über die Situation in Belgien lesen. Ihr wollt über Corona derzeit nichts hören oder aber braucht Ablenkung, weil Ihr in Quarantäne sitzt? Dann stöbert doch einmal in unserer Rubrik Spielzeug & Bücher.
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