Coronavirus in Italien: Leben im Sperrgebiet / Tag 8 von 24

Italien und Tourismus – das gehört einfach zusammen. 128,1 Millionen Touristen kommen im Schnitt jährlich nach Italien (Daten von Statista, geltend für 2018), mehr als zwölf Millionen davon sind Deutsche. Die Zahl der Beherbergungsbetriebe in Italien ist schwankend. Angegeben wurde sie für das Jahr 2018 mit 215.993 Betrieben. Alle leben vom Tourismus, doch der liegt derzeit komplett am Boden.

Die Touristen bleiben aus

Nicht nur ausländische, sondern auch inländische Touristen bleiben aus. Ganz Italien ist seit mehr als einer Woche Sperrgebiet. Restaurants, Bars, Museen und Sehenswürdigkeiten sind geschlossen, fast alle Geschäfte haben zu, etliche Länder haben die Verbindungen nach Italien gekappt, verschiedene Fluggesellschaften fliegen das Land nicht mehr an. Auch Italiens Trauminsel Sardinien hat sich abgeschottet. Keine Fähren mehr, kein Tourismus. Alles verzweifelte Versuche, das Coronavirus nicht nur in Italien, sondern weltweit einzudämmen. Zudem sind nicht gerechtfertigte Reisen in Italien derzeit verboten. Häuser und Wohnungen darf man nur noch aus wichtigen Gründen verlassen. Dazu gehören medizinische Gründe, Arbeitsverpflichtungen oder auch die Deckung des Grundbedarfs. Urlaub gehört nicht dazu. Auch dann nicht, wenn Freunde oder Familie in der Nähe wohnen.

Meine Schwiegereltern wohnen auf Sardinien. Sardinien ist vergleichsweise wenig betroffen. Da das mit Erklärung Norditaliens zum Sperrgebiet viele ausnutzten und zu Tausenden ausgerechnet auf diese Insel flohen, wurden striktere Maßnahmen nötig. Viele hatten den Ernst der Lage einfach nicht verstanden. Das Virus reiste zusätzlich zum Gepäck längst mit.

‼️ Das hier richtet sich an alle, die in Deutschland oder anderswo immer noch nicht verstanden haben, warum Maßnahmen…

Gepostet von Coronavirus in Italien am Sonntag, 15. März 2020

Harter Schlag für den Tourismus

Das Wachstum in Italien stagniert seit Längerem, Italien braucht den Tourismus. Dass ausgerechnet der gezwungenermaßen ausbleibt, wird das Land in eine schwere finanzielle Krise stürzen. Existenzängste für viele mit inbegriffen. Physiotherapie- und Zahnarztpraxen haben ihre Patienten abbestellt, Buchhandlungen, Bekleidungsgeschäfte und Spielwarenläden sind geschlossen, ebenso Friseursalons und fast alle Restaurants (Ausnahmeregelungen gibt es beispielsweise für Autobahnraststätten). Besonders betroffen sind auch Hotelbesitzer oder Betreiber von Ferienanlagen, Bed & Breakfasts und Zimmervermietungen. Sie alle haben laufende Kosten, müssen Mieten zahlen, benötigen das Geld, um ihre Betriebe aufrecht zu erhalten, ihre Familien zu versorgen und ihre Angestellten zu bezahlen. Jede ausbleibende Buchung und jeder stornierte Aufenthalt bedeutet für sie enorme Umsatzeinbußen. Das wird lange Zeit so sein, denn selbst wenn die Corona-Krise überwunden ist: Wer möchte unter den Bedingungen und mit dem Wissen schon nach Italien? Ein Land zudem, das für Touristen sehr viel teurer ist als etwa Kroatien.

Gepostet von Villa Maria Bed and Breakfast am Freitag, 31. März 2017

 

Die Amerikanerin Laura Matta betreibt in Osimo das idyllische B&B “Villa Maria”(per Klick zur Webseite). Ruhig gelegen, ein wunderschöner Garten, drei großzügige und geschmackvoll eingerichtete Zimmer. Ein Ort, an dem man gerne Urlaub macht. Jederzeit – normalerweise auch zu dieser Jahreszeit. Ostern naht, die “Villa Maria” liegt nur wenige Kilometer von der Basilika von Loreto entfernt. Ein idealer Ort, um nach der Besichtigung, der Teilnahme an der Ostermesse oder dem Kreuzgang am Karfreitag zu entspannen. Osimo ist zudem bester Ausgangspunkt für Fahrten ans Meer, für Wanderungen durch die Marken und natürlich zur Entdeckung der kulinarischen Highlights der Region. Doch die Touristen, die sonst zahlreich in die Marken strömen, bleiben derzeit aus. Nur wer aus beruflichen Gründen nach Osimo muss (Arbeitsverpflichtungen können weiterhin wahrgenommen werden), ist momentan auf Zimmer angewiesen. Die anderen? “Die haben fast alle storniert”, sagt Laura Matta. Für sie mehr als verständlich: “Wir alle haben derzeit wichtige Entscheidungen zu treffen und jeder muss zuerst an die eigene Gesundheit und Sicherheit denken.”

Auch deshalb storniert die mit einem Italiener verheiratete Amerikanerin unbürokratisch. “Ich bin ganz ihrer Meinung, ich hätte das gleiche getan.” Sie weiß genau, dass sie kein Einzelfall ist: “Die ganze Welt des Tourismus ist davon getroffen.”

Und das vermutlich sogar auf lange Zeit. Die Bundesrepublik Deutschland hat heute eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen, in Österreich gilt für Reisen nach Italien die “Sicherheitsstufe 6”. Das ist die höchste Sicherheitsstufe bei Reisewarnungen, die sonst dann ausgesprochen wird, wenn in einem Land Krieg, Bürgerkrieg oder kriegsähnliche Zustände herrschen. Dann also, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht – so wie jetzt bei Corona. Das, was sich derzeit in Italien abspielt, bleibt auf unabsehbare Zeit in den Köpfen hängen. Es trübt den Eindruck von einem tollen Urlaubsfeeling bei Pizza, Pasta, Wein und Grappa – und natürlich einer Mentalität, der die meisten Urlauber hoffnungslos verfallen sind.

Existenzängste für Hotelbesitzer & Co.

Doch nicht alle sind so kulant wie Laura Matta, die sogar bereits bezahlte Beträge umgehend zurückerstattet hat. Es gibt auch andere. Solche, die Wochen vor einem geplanten Aufenthalt und mit der Gewissheit, dass die Reise aufgrund der derzeitig geltenden Reisebeschränkungen auf der Kippe steht, Kreditkarten belasten. Genau das ist jetzt mir passiert. Hoffentlich ein Einzelfall! Getrieben vermutlich von Existenzängsten und einer Vielzahl von Stornierungen (beides absolut verständliche Gründe), allerdings ohne irgendeine Art von Vorwarnung und Erklärung – und das in einer kleinen und wunderschönen Anlage mit Ferienwohnungen, die meine Eltern schon häufiger genutzt haben. Selbst in der Buchungsbestätigung steht: Die Bezahlung erfolgt während des Aufenthaltes. Laut Richtlinien ist eine Belastung der Kreditkarte zwar jederzeit möglich, doch handelt es sich dabei meist um Probebuchungen, um die Gültigkeit der hinterlegten Kreditkartendaten zu überprüfen.

Könnt Ihr Euch weiterhin einen Urlaub in Italien vorstellen?

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Derzeit ist es nicht sonderlich wahrscheinlich, dass Touristen bereits Ende April wieder problemlos nach Italien kommen. Das liegt aber nicht allein an Italien, sondern auch an den derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz geltenden Bestimmungen. Abgebucht wurde das Geld von meiner Kreditkarte übrigens ausgerechnet an dem Tag (8. März 2020), an dem ganz Norditalien ebenso wie die in den Marken gelegene Provinz Pesaro-Urbino (grenzt direkt an unsere Provinz Ancona) an, zum Sperrgebiet erklärt worden ist. Dass die Provinz Ancona folgen würde, war da schon absehbar. Denn auch hier gab es mittlerweile Coronafälle im fast dreistelligen Bereich. Panik? Angst um ausbleibende Gäste oder noch vielmehr ausbleibende Einnahmen? Vermutlich! Ich habe sogar Verständnis dafür. Aber hat er das auch für mich als Freiberufler? Wohl kaum! Meine wichtigste Einnahmequelle wird im April und Mai vermutlich wegbrechen, damit wiederum Einnahmen für andere Unterkünfte, Geld für Restaurants, Tickets für den Zug. Es sind nicht nur Hoteliers und Betreiber von Ferienanlagen betroffen, sondern eine Vielzahl von Personen, die gerade in Italien vorrangig vom Tourismus leben.

Tag 8 von 24 – Unser Leben im Sperrgebiet

Apropos Tourismus! Es ist fast schon Ironie: Das Wetter hier ist derzeit so schön, dass sich das Bauen von Sandburgen am Strand und der Blick auf die Wellen in Numana, Sirolo oder Porto Recanati wirklich lohnen würde. Doch es sind alles andere Gemeinden, die Strände sind derzeit vorwiegend abgesperrt, um zu viele nicht gewollte Spaziergänger zu vermeiden (Leute, wir müssen wirklich alle zu Hause bleiben!) und wir können bis einschließlich zum 3. April 2020 nicht hin. Solange gilt das aktuelle Dekret. Das sind jetzt noch 16 Tage. Und hier glaubt bei aktuell mehr als 20.000 erkrankten Personen niemand daran, dass am 4. April 2020 alles wieder so ist wie zuvor.

Also Tag 8 von 24 zu Hause:

  • Die gestern gewaschenen Vorhänge sind aufgehängt. Und obwohl ich sie wie vorgeschrieben bei 40 Grad gewaschen habe, sind sie heute rund 20 Zentimeter kürzer als gestern. ?
  • Wir haben unsere Gymnastikmatten auf den Balkon geschleppt und Yoga gemacht. Kinder-Yoga. Die niedlichen Ideen dazu findet Ihr in dem Buch “Hände vors Herz” (Amazon-Link) (Fotos gibt es erst dann, wenn das einigermaßen vorzeigbar ist – also vermutlich nie. ?)
  • Wir haben unsere Vorräte kontrolliert (im Prinzip bräuchten wir nur etwas frisches Obst und Gemüse – und neues Waschmittel).
  • Der späte Abend wird einer guten Freundin aus Münster gehören (Telefon-Date zwischen dem Sperrgebiet und der Stadt, in der ich mein Hauptstudium gemacht und ein paar Jahre in der Online-Redaktion der “Westfälischen Nachrichten” gearbeitet habe).
  • Das Brotrezept, das mir eine Freundin aus Castelfidardo geschickt hat, können wir knicken. Wir haben keine Hefe im Haus. In den Supermärkten ist sie derzeit vergriffen.
  • Videochats (haben wir gestern probiert) zwischen den Kindern setzen wir wohl erst einmal aus. Die wollen nämlich jetzt unbedingt miteinander spielen. Und genau das geht leider auch die nächsten 16 Tage nicht. Mindestens!

Ihr könnt diese Seite natürlich auch ganz einfach teilen, falls Ihr Freunde oder Bekannte habt, die sich für die Situation in Italien interessieren. Passt auf Euch auf! <3

Gepostet von Coronavirus in Italien am Samstag, 14. März 2020

Coronavirus: Die Zahlen vom Abend

Tag 8 des Lockdowns in Italien. Bis Sonntag können die Zahlen wegen der langen Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen (einige Quellen sprechen in Einzelfällen auch von längeren Inkubationszeiten) weiter ansteigen. Das wäre dann Tag 14.

Diese Zahlen gab der Zivilschutz am heutigen Abend bekannt:

  • 345 Tote (jetzt 2503 Tote insgesamt)
  • 3526 zusätzlich positiv getestete Personen (bislang 31.506 Infektionen)
  • 2941 Personen gelten als geheilt
  • 26.062 sind aktuell erkrankt, 2060 davon befinden sich in einem kritischem Zustand

Situation bei uns in den Marken: Heute sind 127 weitere Personen positiv getestet worden. Damit gibt es bislang 1354 Fälle in den Marken (davon sind 69 Personen im Alter zwischen 43 und 97 Jahren verstorben, bislang ist in den Marken noch niemand genesen). Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl in den Marken von 1.525.271 Personen beträgt das Ansteckungsrisiko derzeit 1: 1126. Aufgrund der vermutlich hohen Dunkelziffer oder der noch nicht getesteten Personen sowie der langen Inkubationszeit ist das tatsächlich Ansteckungsrisiko wahrscheinlich sehr viel höher.

Die Meldung am Abend: Es sind im Laufe des Tages in den Marken weitere 22 Personen verstorben. Damit liegt die Anzahl der Toten in den Marken bei 91.

Hier geht es bereits weiter zu Tag 7: Leben im Sperrgebiet / Tag 7 von 24

Was bisher geschah:  

Leben im Sperrgebiet / Tag 1 von 24 (Italien ist jetzt Sperrgebiet)
Leben im Sperrgebiet: Tag 2 von 24 (Und wenn es Euer Opa wäre?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 3 von 24 (Große Ansteckungsgefahr oder nicht?)
Leben im Sperrgebiet / Tag 4 von 24 (drohende Versorgungsengpässe, Sonderfall “medizinisches Personal”
Leben im Sperrgebiet / Tag 5 von 24 (Was man aus der Corona-Geschichte Italiens lernen kann…)
Leben im Sperrgebiet / Tag 6 von 24 (Abläufe und Sicherheit im Supermarkt)
Leben im Sperrgebiet / Tag 7 von 24 (Quarantäne, Betroffene in den Marken, Selbstschutz)
Vorsichtsmaßnahmen im Supermarkt

Die Berichte rund um Corona veröffentlichen wir vorrangig in unserer Rubrik Blick ins Ausland. Dort könnt Ihr auch einen Beitrag über die Situation in Belgien lesen. Ihr wollt über Corona derzeit nichts hören oder aber braucht Ablenkung, weil Ihr in Quarantäne sitzt? Dann stöbert doch einmal in unserer Rubrik Spielzeug & Bücher.

Nadine
Über Nadine 313 Artikel
Nadine - Freie Journalistin, Redakteurin sowie Geprüfte Übersetzerin für Italienisch - und Mama einer zweijährigen Kitamaus, die das Leben ganz schön spannend macht.

2 Kommentare

  1. Hallo Nadine,

    vielleicht gibt es jemanden in der Nachbarschaft, der Lievito Madre “gezüchtet” hat und Dir etwas abgeben kann. Ich wollte das schon lange selbst einmal probieren, aber habe mich davor gescheut, da der Prozess schon langwierig ist. Vielleicht wäre dafür jetzt die richtige Zeit;-)! Rezepte dafür gibt es im Internet viele, aber Du sitzt da sicherlich näher an guten Quellen.
    Übrigens, danke für diesen Blog, den sollte wirklich mehr Deutsche lesen, damit sie den Ernst der Lage verstehen!

    LG aus Deutschland und bleibt gesund!

  2. Danke, das ist ein sehr guter Tipp, aber ich kenne leider niemanden. Höchstens im Nachbarort, aber da das außerhalb unserer Gemeinde liegt, dürfen wir da nicht hin… Ich freue mich übrigens sehr, dass Du hier mitliest! 🙂 Pass auf Dich auf! LG, Nadine

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