Coronavirus in Italien: Leben im Sperrgebiet / Tag 7 von 24

Wir werden jeden Morgen mit aktuellen Zahlen aus der Region versorgt. Meist gegen 8.30 Uhr, also kurz nach dem Aufstehen. Und jeden Morgen mit der Gewissheit, dass jetzt noch mehr Menschen Angst haben. Ja, eine Infektion mit dem Coronavirus kann leicht verlaufen. Kann, muss sie aber nicht. In den Marken liegt mehr als jeder Zweite von denen, die positiv getestet wurden, im Krankenhaus. 110 Personen sind hier gar auf den Intensivstationen untergebracht. Ohne Verwandte und Freunde, die sie besuchen dürfen. Ein zusätzliches Drama für Menschen, die betroffen sind.

Das Vorgehen in den Marken

Wir werden von der Region Marken transparent mit Zahlen aus der Region versorgt. Wir wissen, wie viele Abstriche hier bislang gemacht wurden (lediglich 3225 insgesamt) und wie viele Personen in Quarantäne sitzen: Das sind derzeit 3716. Mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 1:308 sitzen wir hier derzeit in Quarantäne oder aber stecken uns an. Wir wissen, dass es besonders viele Erkrankte in der nördlichsten Provinz der Marken (Pesaro-Urbino) gibt (dort sind 733 Personen positiv getestet worden) und dass es im Süden der Marken in der Provinz Ascoli-Piceno (21 Fälle) nicht ganz so dramatisch ist. In der Provinz Ancona gibt es derzeit 323 Corona-Fälle, 993 Personen sitzen in unserer Provinz in Quarantäne. Wir wissen, wie viele Betten in welchem Krankenhaus belegt sind und wie viele Patienten Intensivbetten benötigen. Was wir nicht wissen, ist wo genau in der Provinz diese Fälle aufgetreten sind.

Denn die genauen Orte werden nur im Ausnahmefall bekannt gegeben. Entweder dann, wenn sich ein Bürgermeister besonders engagiert und den Bürgern seiner Gemeinde zusätzliche Infos gibt (seit gestern wissen wir, dass es im Nachbarort Castelfidardo offiziell 13 Fälle gibt – wir wissen aber auch durch Freunde, dass viele Personen mit Symptomen noch nicht getestet worden sind). Oder aber dann, wenn Personen selbst an die Öffentlichkeit gehen. So etwa der Restaurantbesitzer bei uns im Ort, dessen Familie an die Öffentlichkeit gegangen ist: Damit sich alle Gäste der vergangenen zwei Wochen nach Möglichkeit freiwillig und um keine weiteren Personen anzustecken, in Quarantäne begeben können.

AGGIORNAMENTO IMPORTANTE Corona Virus

Gepostet von Comune di Castelfidardo am Sonntag, 15. März 2020

Selbstschutz und Quarantäne

Die Infektionsketten können hier längst nicht mehr genau nachvollzogen werden. Zu viele Personen sind bereits erkrankt. Nur, wer sich besonders gut abschottet und den Anweisungen der Regierung folgt, kann sich zusätzlich zu Hygiene-Maßnahmen und durch die Verwendung etwa von Einweg-Handschuhen und Atemschutz einigermaßen effektiv schützen.

Aber Ihr wisst ja wie das ist: Viele müssen nach wie vor arbeiten, auch im Supermarkt treffen Menschen aufeinander (abgesehen vom Personal, dass dem Kontakt zu anderen den ganzen Arbeitstag lang ausgesetzt ist), man kann als Nicht-Betroffener beim Arzt auf einen Betroffenen treffen. Und dann gibt es auch noch diejenigen, die die hier seit vergangener Woche geltenden Regeln (in Norditalien sind die Maßnahmen schon etwas länger in Kraft) etwas anders auslegen als eigentlich vorgesehen. Das sind diejenigen, die sich etwa mit mehreren im Park treffen, um Fußball zu spielen (Joggen ist unter Einhaltung des Mindestabstandes) erlaubt, die gemeinsam Spazierengehen oder aber ohne triftigen Grund das Haus verlassen – weil sie die eigene Ansteckungsgefahr als gering betrachten, nicht mehr zu Hause bleiben wollen und auch denken, dass kein symptomfreier Virusträger sind. Oder aber ein paar Straßen weiter die Kinder doch kurz zu den Großeltern bringen wollen.

Auch deshalb gibt es hier immer mehr Kontrollen. Über 550.000 Personen wurde italienweit vorwiegend von Polizeiorganen kontrolliert. Mehr als 20.000 von ihnen wurden wegen Verstoßes gegen Quarantäne-Auflagen angezeigt. Es geht hier nicht um einen Bußgeldbescheid, sondern um ein Strafverfahren. Auch überprüfen die Behörden die Angaben auf den Selbsterklärungen. Auch hier haben sich rund 500 Personen durch wahrheitswidrige Angaben strafbar gemacht. All diese Personen sind zusätzliche Risikofaktoren für die Gesamtbevölkerung.

Kontakt zur Außenwelt

Nachrichten, Gespräche, Mails, WhatsApp-Nachrichten (damit meine ich jetzt nicht die, mit denen Fake News verbreitet werden) – all das trägt mit dazu bei, dass niemand den Außenkontakt verliert. Was ein Glück, dass wir im digitalen Zeitalter leben. Und doch merkt man auch an den WhatsApp-Status-Berichten, wie unterschiedlich diese Corona-Welle in Europa gelebt wird.

Da sind die (in Italien, im Iran oder anderen besonders betroffenen Gebieten), die nicht vor die Tür dürfen und auch die weiter im Norden, die sich entweder schon einmal für mehr Zeit zu Hause entscheiden oder aber ganz so weiter leben wie bisher. Denn warum schon sollte man mit Kindern auf den Spielplatz verzichten oder nicht im Café ein Stück Kuchen essen? Wir müssen noch mindestens eine Woche ausharren um zu sehen, ob die bisherigen Maßnahmen greifen und die Fallzahlen zumindest stagnieren. Noch besser wäre es, wenn sie drastisch fallen würden. Allein gestern gab es in Italien 368 Tote und 3590 neue Coronafälle.

Tag 7 von 24 – So sah unser Tag aus…

Klar, dass das ausschließliche Aufhalten innerhalb der eigenen vier Wände meist keine spannenden Berichte liefert. Erwähnt werden soll es trotzdem. Denn das ist das, was das Leben hier in Italien momentan ausmacht.

  • Wir haben die Vorhänge gewaschen (sowas schiebt man ja oft gerne und lange vor sich her).
  • Meine Tochter und ich haben einen Marienkäfer und eine Biene gebastelt (schickt uns gerne Basteltipps!).
  • Die Schlafzimmerfenster sind geputzt.
  • Bei Amazon haben wir ein paar Vorschulbücher (per Klick zu einer Auswahl auf Amazon) vorbestellt. Aktuelle Lieferzeit für Prime-Kunden: zwischen 3 und elf Tagen. Und das bezieht sich auf Waren, die auf Lager sind.
  • Ansonsten ging hier das Sichten der Nachrichten und das Tickern für ein Logistik-Fachmagazin weiter.
  • Am Vormittag habe ich mit Erschrecken festgestellt, zu was diese Ausnahmesituation in Italien führen kann (mehr dazu morgen in Teil 8), denn meine Kreditkarte wurde Wochen vor einem geplanten Aufenthalt voll belastet.
  • Ich bin auf einen Playmobil-Delfin getreten (Lego tut vermutlich ähnlich weh… ?)

Ihr könnt diese Seite natürlich auch ganz einfach teilen, falls Ihr Freunde oder Bekannte habt, die sich für die Situation in Italien interessieren. Passt auf Euch auf! <3

Gepostet von Coronavirus in Italien am Samstag, 14. März 2020

Coronavirus: Die Zahlen vom Abend

Tag 7, abendliches Date mit dem Fernseher. Der Zivilschutz hat heute das hier bekannt gegeben:

  • 349 Tote (jetzt 2158 Tote insgesamt)
  • 3233 zusätzliche Personen, die positiv getestet wurden (bislang 27.980 Infektionen)
  • 2749 Personen gelten derzeit als geheilt
  • 23073 Personen sind aktuell erkrankt, 1851 davon befinden sich in einem kritischen Zustand

Situation bei uns in den Marken: Heute sind 111 weitere Personen positiv getestet worden. Damit gibt es bislang 1244 Fälle in den Marken (davon sind 57 Personen verstorben, bislang ist in den Marken noch niemand genesen). Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerungszahl in den Marken von 1.525.271 Personen beträgt das Ansteckungsrisiko derzeit 1: 1266. Aufgrund der vermutlich hohen Dunkelziffer oder der noch nicht getesteten Personen sowie der langen Inkubationszeit ist das tatsächlich Ansteckungsrisiko wahrscheinlich sehr viel höher. Bislang wurden in den kompletten Marken lediglich 3194 Personen getestet.

Die Meldung am Abend: Es sind im Laufe des Tages in den Marken weitere 12 Personen verstorben. Damit liegt die Anzahl der Toten in den Marken bei 69. Alle Opfer hatten nach Angaben der Behörden bereits zuvor gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Altersspanne reicht von 43 bis 97 Jahren.

Was bisher geschah:  

Leben im Sperrgebiet / Tag 1 von 24
Leben im Sperrgebiet: Tag 2 von 24
Leben im Sperrgebiet / Tag 3 von 24
Leben im Sperrgebiet / Tag 4 von 25
Leben im Sperrgebiet / Tag 5 von 24
Leben im Sperrgebiet / Tag 6 von 24
Vorsichtsmaßnahmen im Supermarkt

Die Berichte rund um Corona veröffentlichen wir vorrangig in unserer Rubrik Blick ins Ausland. Dort könnt Ihr auch einen Beitrag über die Situation in Belgien lesen. Ihr wollt über Corona derzeit nichts hören oder aber braucht Ablenkung, weil Ihr in Quarantäne sitzt? Dann stöbert doch einmal in unserer Rubrik Spielzeug & Bücher.

Nadine
Über Nadine 313 Artikel
Nadine - Freie Journalistin, Redakteurin sowie Geprüfte Übersetzerin für Italienisch - und Mama einer zweijährigen Kitamaus, die das Leben ganz schön spannend macht.

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