Martina kennt sie: Die ultimativen Vorlesetipps für Kita und Kindergarten

Interview

Martina lässt das Vorlesen stets zu einem besonderen Erlebnis werden. (Foto: www.buchwegweiser.com)

Deutschland, Peru, Irland, Tansania, jetzt Basel – egal wo Martina gelebt hat: Überall werden gute Bilderbücher benötigt. Die 31-Jährige, die ausgebildete Erzieherin ist und Kindheitspädagogik studiert hat, kennt sich durch ihre Auslandsaufenthalte vor allem mit Interkulturalität aus. Doch auch das Thema “Gender” liegt ihr am Herzen. Sie sagt, dass sie für ihre Arbeit immer mehr gute Bilderbücher bräuchte, die “unsere heutige Gesellschaft (bzw. meine Kindergruppe) widerspiegeln sollten. Doch wo findet man einen guten Wegweiser durch die Welt der Bücher? Und wie kann man Kinder beim Vorlesen richtig fesseln? Wie sieht etwa die ideale Vorlesesituation aus? Das alles verrät Martina, die selbst Mutter einer kleinen Tochter ist, im Interview.


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Die wichtigsten Vorlesetipps für Kita und Kindergarten

Martina, wie wichtig sind Bilderbücher Deiner Meinung nach? Ab welchem Alter sollte man mit dem Vorlesen und dem Anschauen von Bilderbüchern beginnen?

“Bilderbücher tragen wesentlich zur Sprach- und Schriftsprachentwicklung der Kinder bei; außerdem unterstützt das Vorlesen die Eltern-Kind-Beziehung, da über die gemeinsame Aktivität Kommunikation und Zuwendung stattfindet. Mit Bilderbüchern würde ich tatsächlich schon vor Beendigung des ersten Lebensjahres beginnen, wenn die Kinder die ersten „Wuffwuff“-Bilder benennen können. Die Komplexität nimmt dann stetig zu, so dass die Kinder im Alter von zwei Jahren die ersten einfachen Geschichten mit Pointe erfassen können (z.B. in „Wo ist die Maus “). Bilderbücher repräsentieren eine andere Wirklichkeit, die sich zwischen Phantasie und Realität bewegt. Der Umgang mit Bilderbüchern hilft den Kindern, ihren Wortschatz zu erweitern und ihr Weltwissen zu vergrößern. Sie bekommen ein Gefühl für ihre Sprache und den Aufbau von Geschichten, das ihnen wiederum weiterhilft, ihre eigenen Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen mitzuteilen. Sie sehen erste Buchstaben und lernen, dass sie zusammengesetzt Wörter ergeben, die wiederum zu Geschichten werden. Gut, dass Kinder Bilderbücher und Geschichten lieben: So lernen sie ganz spielerisch.”

Die ideale Vorlesesituation

Wie sieht die ideale Vorlesesituation etwa in einem Kindergarten aus? Welche Atmosphäre würdest Du Dir dafür wünschen?

Als Pädagogin ist es zunächst wichtig zu überlegen, was die Kinder heute schon alles erlebt haben. Wenn sie den ganzen Tag im Raum gespielt haben, sollten wir vielleicht besser nach draußen. Kommen sie direkt vom Sport, hilft es, gemeinsam ein beruhigendes Lied zu singen, um die Gruppe auf die ruhigere Atmosphäre beim Lesen einzustimmen.  Die wichtigste Vorbereitung, um eine schöne Leseatmosphäre zu schaffen, findet vorher statt: Jedes Kind braucht einen gekennzeichneten/ begrenzten Platz (dafür helfen Kissen, Teppichfliesen, das Sofa) und einen guten Einblick in das Buch. Daher nehme ich meist gut einen Meter vor den Kindern Platz, halte das Buch vor meinen Bauch und schaue von oben hinein.  So verhindert man, dass sich die Kinder vorlehnen, den Hals recken oder „Ich kann nicht sehen“, dazwischenrufen. All das würde das Vorlesen stören, mich durcheinanderbringen und andere Kinder langweilen.

Während des Lesens ist das Spiel mit der eigenen Stimme wichtig, um den Charakteren Leben einzuhauchen und die Geschichte interessant werden zu lassen. Gleichzeitig kann man die zuhörenden Kinder im Blick haben und diejenigen, die abgelenkt sind, mit einer Frage oder mit Blickkontakt ins Geschehen zurückholen.

Wenn ich mit Krippenkindern lese, ziehe ich mich mit drei oder vier Kindern in einer ruhigen Ecke zurück. Gerne benutze ich eine Handpuppe (beispielsweise eine Maus für “Mit Lili durch das Jahr” von Lucie Albon), um die Kinder spielerisch an das Zuhören heranzuführen und das Vorlesen zu einem besonderen Erlebnis werden zu lassen. Beim gemeinsamen Vorlesen und Betrachten des Bilderbuchs fordere ich die kleinen Kinder immer wieder auf, Dinge zu benennen, damit sie das Interesse nicht verlieren.

So reagiert man bei Zwischenrufen und Abschweifen

Wie kann man dafür sorgen, dass wirklich alle Kinder zuhören?

Es ist wichtig, die Bilderbücher gut auszuwählen. Das bedeutet, sie auf die Erfahrungen der Kinder und ihre Sprachkompetenzen abzustimmen. Außerdem so spannend wie möglich lesen und die Variationen der Stimme voll ausnutzen (laut/leise, Stimme verstellen etc.) und Kinder, die sich nicht konzentrieren können, immer wieder durch kurze Fragen „zurückholen“. Beispielsweise dürfen sie nochmal allen zeigen, wo im Bild sich die Maus befindet.

Kinder entdecken in Bilderbüchern oft Dinge, die sie benennen wollen. Sie stellen Fragen, rufen dazwischen. Wie geht man damit um?

Meistens verbinden die Kinder das, was sie sehen, mit eigenen Erfahrungen und werden dadurch zum Erzählen angeregt. In einer Gruppe von zwei bis drei Kindern gehe ich in jedem Fall auf ihre Anmerkungen ein. Ich lasse sie erzählen und fordere im Anschluss die anderen Kinder durch Fragen auf, es ihnen gleichzutun. „Ist dir das auch schon passiert?“, „Kennst du auch eines der Tiere im Bild?“, so kann ich als Kindheitspädagogin die Erzählkompetenz der Kinder fördern.

Ist eine Vorlesesituation mit fünf bis acht Kindern geplant, versuche ich kurze Einwürfe „Das kenn ich, mein Opa hat das auch!“ zuzulassen, gleichzeitig habe ich aber die restliche Gruppe im Blick. Niemand sollte sich langweilen und das Leseerlebnis als negativ empfinden. Aus diesem Grund beende ich längere Erzählungen – so wertschätzend wie möglich – mit einem: „Weißt du, wir möchten nun gemeinsam das Buch anschauen, erzählst du es mir später?!“.

Fragen hingegen sollten immer Platz haben. Diese greife ich auf und frage sie in die Runde. Kinder freuen sich meistens, wenn sie anderen etwas erklären können.

Die Auswahl der Kinderbücher und Bilderbücher

In immer mehr Kindergartengruppen sind Kinder, die (noch) kein Deutsch verstehen. Inwiefern sollte das bei der Auswahl der Bilderbücher berücksichtigt werden?

Zunächst sollten wir uns überlegen, wie Kinder ohne Deutschkenntnisse eine Vorlesesituation erleben. Wir merken schnell, dass das Abschweifen nichts mit mangelndem Interesse zu tun hat und müssen Bilderbücher auswählen, bei denen sie mitmachen und benennen können, was man sieht. Die Textstellen sollten überschaubar sein. So geht es in “Hier sind wir” von Oliver Jeffers eigentlich darum, wie es auf der Welt zugeht. Die lustigen, bunten Illustrationen laden aber auch dazu ein, das zu benennen, was man sieht: Welche Tiere kennt Ihr hier? Was fällt euch bei den Menschen auf? Die Kinder werden dazu ermuntert, einfache Sätze zu den Bildern zu entwickeln, ob in Deutsch oder in ihrer eigenen Sprache ist hierbei nebensächlich. Die Textstellen werden natürlich trotzdem vorgelesen, stehen aber nicht im Vordergrund. Das Wichtigste für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache ist die Freude an den Büchern und an Sprache in den Vordergrund zu stellen, dann kommt der Rest von allein.

Buchtipps fürs Vorlesen

Gibt es Bücher, die Du selbst besonders gerne vorliest? Nenne doch einfach drei Bücher, die Du zum Vorlesen besonders geeignet findest?

Eines ist definitiv „Böse“ von Lorenz Pauli und Katrin Schärer. Die Geschichte um die Tiere auf dem Bauernhof lässt alle Kinder vor Spannung erstarren. Wenn das Pferd den Huf hebt und das Mäuslein sich bedankt, atmen alle erleichtert auf – auch nach der zehnten Wiederholung.  Dann noch „Die dumme Augustine“ von Otfried Preußler – die altmodischen Illustrationen haben ihren ganz eigenen Reiz. „Die Schnecke und der Buckelwal“ von Julia Donaldson und Axel Scheffler mag ich wegen der schönen, gereimten Sprache, die dazu auffordert, von den Kindern ergänzt zu werden und so – ganz von allein – zum Zuhören und Mitmachen auffordert.

Hast Du noch einen ultimativen Vorlese-Tipp?

Am besten lassen sich (Bilder-)Bücher vorlesen, wenn man sie als Vorleser bereits kennt und selbst davon begeistert ist. So erst werden die Charaktere durch das Spiel mit der Stimme zum Leben erweckt und die Kinder lauschen gespannt.

Vielen Dank für das interessante Interview und die tollen Tipps, Martina! 

Weitere Vorlesetipps von Martina findet ihr unter „Kniffe für das Vorlesen in der Kindergruppe“ und stöbert gleich auch etwas in ihrem bilderBuchwegweiser unter https://buchwegweiser.com/ Dort gibt es auch Besprechungen zu all den Büchern, die Martina genannt hat – und natürlich auch noch viele weitere. Schaut doch einfach mal bei ihr vorbei! 


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Dieses Interview ist in der Rubrik “Kitakinder” erschienen. Die findet Ihr hier: http://kitamaus.de/category/kitakinder/

 

Nadine
Über Nadine 313 Artikel
Nadine - Freie Journalistin, Redakteurin sowie Geprüfte Übersetzerin für Italienisch - und Mama einer zweijährigen Kitamaus, die das Leben ganz schön spannend macht.

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