Lärmempfindliches Kind: Kopfhörer auf – Problem gelöst?

Kann ein Geräuschschutz bei einem Dreijährigen einen positiven Effekt haben? Die Erzieherinnen wollten es wissen und haben es ausprobiert. (Symbolfoto: georgerudy / Adobe Stock)

Unser Kind sah letztens in der Schule aus wie ein kleiner Bauarbeiter. Denn er trug zeitweise einen Kopfhörer. Kopfhörer als Geräuschschutz werden mittlerweile an vielen Schulen eingesetzt. Im Idealfall funktioniert das so: Während bestimmter Lernsettings, in denen einige Schüler Gruppenarbeit machen und andere still arbeiten, können sich lärmempfindliche Kinder Kopfhörer nehmen, um sich auditiv abzuschotten. Sie machen das freiwillig, um nicht gestört zu werden. Allerdings ist unser Kind erst drei Jahre alt. Seit gut sechs Monaten geht er zur Vorschule.

Der Grund für das Experiment mit dem Kopfhörer

Der Grund für dieses von den Erzieherinnen gestartete Experiment: Unser Dreijähriger zieht sich zurück, wenn es in der Klasse laut und wuselig zugeht. Es sind halt 23 Kleinkinder in einem recht kleinen Klassenzimmer. Laut Erzieherinnen geht er ans Fenster, schaut hinaus und presst die Hände auf die Ohren. Offenbar macht er das so oft, dass es besorgniserregend ist. So sei die Idee entstanden, das mit den Kopfhörern einmal auszuprobieren. Sie wollten schauen, ob das einen positiven Effekt auf unser Kind hat. Ob er sich dann nicht mehr absondert, sondern inmitten der anderen Kinder sitzen bleibt. Gut gemeint, aber ob das wirklich gut für unser Kleinkind ist, wage ich zu bezweifeln.

Angeblich hat er freiwillig mitgemacht. Wie sich das geäußert hat? Er soll nach dem Kopfhörer gegriffen haben. Natürlich greift er nach einem Kopfhörer – zuhause kommt daraus ja immer tolle Musik. Er hat den Geräuschschutz am ersten Tag eine halbe Stunde getragen. Eine halbe Stunde lang alles nur wie durch dicke Watte mitzubekommen, stelle ich mir nicht wirklich schön vor. Mich würde das total irritieren.

Was mich aber noch mehr irritiert hat, war die Länge des Experiments. Irritiert ist dabei eigentlich das falsche Wort. Ich war entsetzt. 30 Minuten sind eine lange Zeit. Das ist beinahe eine ganze Unterrichtsstunde, die mein Kind isoliert und abgekapselt zugebracht hat. Mit sich allein in seiner eigenen kleinen Welt. Ich habe keine pädagogische Ausbildung, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das für ein Kleinkind gut und förderlich ist. Zumal er in dieser Zeit nicht hört, wenn ein anderes Kind Kontakt mit ihm sucht und ihn anspricht.

Wird aus einem Einzelgänger ein Außenseiter?

Tag zwei des Experiments lässt nun auf sich warten. Mein Mann und ich würden es noch einmal zulassen. Wir wollen sehen, ob unser Kind noch einmal freiwillig zum Kopfhörer greift. Wir haben allerdings zwei wesentliche Einschränkungen: Unser Kind muss von sich aus fragen. Und das Ganze darf auf keinen Fall länger als zehn Minuten dauern. Die Erzieherinnen nehmen unsere Bedenken zum Glück ernst. Ich weiß aus zwei Gesprächen, dass sie nur das Beste für unser Kind wollen und sich aufrichtig Sorgen um seine sozio-emotionelle Entwicklung machen.

Bislang kam der Geräuschschutz aber nicht wieder zum Einsatz. Die Kinder spielen derzeit mehr draußen als zuvor – das gute Wetter macht es möglich. Und draußen scheint unser Kind keinen Kopfhörer nötig zu haben. Wie mein Kind selbst diese halbe Stunde mit einem Geräuschschutz empfunden hat, kann ich daher nicht mit Sicherheit sagen. Unser Junge ist ein Kind, das im Prinzip geduldig ist und viel mitmacht und erträgt. Zumindest außer Haus. Er ist gegenüber anderen Menschen sehr schüchtern und zurückhaltend. Zumal er sich auch noch nicht so richtig gut ausdrücken und mitteilen kann. Das ist wahrscheinlich auch eine Folge der zweisprachigen Erziehung.

Vielleicht hat ihn der Kopfhörer überhaupt nicht gestört. Schließlich hat er ihn eine halbe Stunde aufgehabt. Aber vielleicht hat er sich einfach nicht getraut, seiner Erzieherin gegenüber deutlich zu machen, dass er das nicht will. Vielleicht fühlte er sich wirklich nicht gestört und wohler, weil er den Lärm der anderen Kindern nicht mehr so laut ertragen muss. Ich bezweifele das aber – denn zu Hause mag er unseren Kopfhörer urplötzlich so gar nicht mehr. Wie sich das äußert? Er schüttelt heftig den Kopf, ruft “Nein!” und läuft weg.

Wie auch immer: Mit einem Geräuschschutz über den Ohren wird unser Junge bestimmt nicht integriert. Er ist dann nicht mehr er. Sondern nur noch das Kind mit dem Kopfhörer.  Meiner Einschätzung nach wird aus einem Einzelgänger so definitiv ein Außenseiter.

Was haltet Ihr von dem Experiment mit dem Kopfhörer?

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Foto: Kann ein Geräuschschutz bei einem Dreijährigen einen positiven Effekt haben? Die Erzieherinnen wollten es wissen und haben es ausprobiert. (Symbolfoto: georgerudy / Adobe Stock)

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Mareike
Über Mareike 25 Artikel
Freie Journalistin und Redakteurin, ab und zu auch Proofreaderin für ein Übersetzungsbüro. Außerdem Mama eines Dreijährigen, der sie liebend gern auf Trab hält.

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