24-Stunden-Kitas? Ein Plädoyer für Eltern, die im Nachtdienst arbeiten…

Eltern, die im Nachtdienst arbeiten, fällt es schwer, nachts nicht bei ihren Kindern sein zu können. (Foto: dkHDvideo / Adobe Stock)

Jedes Mal, wenn über 24-Stunden-Kitas diskutiert wird, tauchen sie wieder auf: Eltern, die andere Eltern für ihren Schichtdienst kritisieren. Die die Kinder bedauern, deren Mütter und Väter nachts nicht für sie da sind. Oder aber diejenigen, die ganz drastisch fordern, dass man sich einen anderen Beruf suchen solle. Oder noch schlimmer, dass etwa eine Krankenschwester, die auch im Nachtdienst arbeitet, besser ganz auf Kinder verzichtet hätte! Alles sei besser, als ein Kind in eine 24-Stunden-Kita zu geben. Doch einige Eltern haben keine andere Möglichkeit. Und eben weil es die nicht gibt, sind diese Eltern darauf angewiesen, ihre Kinder zu jeder Tages- und Nachtzeit in guten Händen zu wissen. 24-Stunden-Kitas bedeuten übrigens nicht, dass die Kinder sich laufend dort aufhalten. Und auch nicht, dass das Kind den ganzen Tag über von den Eltern getrennt ist. Es darf sich oft maximal neun Stunden in so einer Kinderbetreuungseinrichtung aufhalten. Gut beschützt von Erzieherinnen und Erziehern, die auch nachts dafür sorgen, dass sich die Kinder so wohl wie möglich fühlen.

Jedes Kind ist lieber bei seinen Eltern

Natürlich wäre ein Kind lieber bei seinen Eltern. Natürlich rufen die Kleinen nach einem Albtraum nach der Mama und werden von einer anfangs fremden Person getröstet. Das ist mehr als traurig, wenn Mama und Papa dann nicht in der Nähe sind. Darüber haben Eltern, die ihren Kindern aus beruflichen oder anderen Gründen genau das zumuten müssen, schon so manche Träne verdrückt. Weil sie es sich auch anders wünschen würden, weil sie sich natürlich für ihre Kinder einen geregelten und tollen Tagesablauf erhoffen. Aber Eltern im Schichtdienst vorzuwerfen, ihre Kinder nicht genug zu lieben, ist schlichtweg ein Unding. Im besten Fall haben Kinder, die nachts in einer Kita schlafen, am Folgetag sogar eine besonders intensive Zeit mit ihren Eltern. Denn nach einer Nachtschicht sind Mama oder Papa im Normalfall erst einmal zu Hause. Wer einigermaßen familienfreundliche Arbeitgeber hat, hat nach einer Nachtschicht oft einen ganzen Tag frei. Das gilt zumindest für einige derjenigen, die im Wechseldienst arbeiten.

Einige haben sich ganz bewusst für den Nachtdienst entschieden

Es gibt Eltern, die sich ganz bewusst für den Nachtdienst entschieden haben. Teils schweren Herzens. Weil das Geld benötigt wird. Weil ihr Arbeitsvertrag sie dazu zwingt und es keine andere Lösung gibt. Weil Mama oder Papa vielleicht alleinerziehend oder gar verwitwet sind. Weil sie sich für die Familie etwas mehr leisten wollen. Weil sie anderen Menschen helfen wollen. Weil der Beruf eine Leidenschaft sein kann, die trotz der Kinder nicht einfach verschwindet. Und weil der Beruf einen Menschen ebenso ausmacht wie seine Familie. Weil sie in der Nacht arbeiten, um ihr Kind jeden Morgen zur Schule bringen zu können. Weil der einzige Job, den sie gefunden haben, der des nächtlichen Zeitungsausträgers ist. Weil sie das Mittagessen selbst zubereiten wollen, weil sie keine Ballettstunde und kein Fußballtraining verpassen wollen. Aber Halt: Das heißt nicht, dass Eltern, die nicht beim Fußballtraining sind, das nicht wollen. Vielleicht geht es ihnen nicht gut, vielleicht lässt ihr Arbeitsvertrag es nicht zu. Vielleicht sind sie dafür am Vormittag zu Hause und nähen niedliche Sachen für ihre Kinder, während wieder andere an der Schule unterrichten oder als Erzieher im Kindergarten tätig sind. Jeder sieht sich in seinem Leben mit anderen Bedingungen und Gegebenheiten konfrontiert. Jeder!

Liebe zeichnet sich nicht durch eine 24-Stunden-Anwesenheit aus

Keinem arbeitenden Elternteil, aber wirklich keinem, sollte jedoch abgesprochen werden, sein Kind nicht richtig zu lieben. Liebe zeichnet sich nicht durch eine 24-Stunden-Anwesenheit zu Hause aus, sondern durch so viele andere Dinge: Das stolze Lächeln, wenn das Kind das erste Liedchen trällert. Die Gute-Nacht-Geschichte, die auch dann noch vorgelesen wird, wenn man selbst vor Müdigkeit fast umkommt. Das morgendliche Schmieren des Butterbrotes. Die Sorge darum, ob das Kind auch richtig gekleidet ist. Der große Wunsch, dass das Kind glücklich sein möge. Und noch etliche andere Dinge. Klar, Glück kann man beeinflussen. Teilweise. Aber man kann es eben nicht erzwingen. Sicher können Kinder traurig sein, wenn sie nachts in einer 24-Stunden-Kita abgegeben werden. Sie können Mama oder Papa schrecklich vermissen. Aber anderen Kindern geht es ähnlich. Und die gehen vielleicht morgens ab 8 oder 9 Uhr in die Kita

Kinder gehören nachts in ihr eigenes Bett!

Das Gefühl und das Wahrnehmen der Eltern ist in diesem Punkt aber anders: “Kinder gehören nachts in ihr eigenes Bett!”  Ja, das wäre schön. Das wäre wünschenswert. Aber es klappt eben nicht in allen Fällen. Weil manche Berufe einfach so sind. Weil Krankenschwestern und Pfleger, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Pastoren, die Flugaufsicht, Piloten, Stewardessen, Polizeibeamte oder auch Ärzte und Ärztinnen nicht nur zu den Standard-Arbeitszeiten zwischen 8 und 16 Uhr gebraucht werden, sondern auch nachts. Weil es nachts Notfälle gibt, weil Personen nicht nur von 8 bis 16 Uhr krank sind. Weil Kinder nachts im Krankenhaus betreut werden müssen. Und was wäre da wünschenswerter als ärztliches Personal oder Pflegepersonal, das auch Kinder hat? Das bewusst und liebend die Entscheidung getroffen hat, Kinder in die Welt zu setzen? Das die richtigen Worte findet und Tränen besser trocken kann, als jemand, der vielleicht nie Kinder wollte. Der Preis, den Ärzte und Pflegepersonal dafür bezahlen, ist der, die eigenen Kinder vielleicht nicht im eigenen Bett zu wissen. Wer Glück hat, hat den Ehepartner zu Hause oder Großeltern, die einspringen können. Einige andere haben dies nicht. Aber eine Gesellschaft besteht nicht nur aus der Kernfamilie. Eine Gesellschaft besteht aus vielen unterschiedlichen Gruppierungen, Berufsgruppen und Bedürfnissen. Und wenn die einen Kinder haben, die nachts medizinische Versorgung brauchen, bedeutet das wiederum für andere, Abstriche machen zu müssen. Damit diese Gesellschaft funktioniert. Damit dort geholfen werden kann, wo Hilfe benötigt wird.

Sind Eltern, die nachts arbeiten, egoistisch? Wohl kaum!

Die Feuerwehr arbeitet ebenfalls im Schichtdienst. (Foto: dth48 / Adobe Stock)

Personen, die so viel zum Funktionieren der Gesellschaft beitragen können (und wollen), das Recht auf ein eigenes Kind oder aber ihre Elternliebe abzusprechen, ist mehr als unfair. Seid dankbar, dass es so viele Personen gibt, die im Schichtdienst arbeiten. Seid dankbar, dass Polizei und Abschleppdienst Euch helfen, wenn Ihr nachts als Familie mit dem Auto liegen bleibt. Freut Euch, wenn Euer krankes Kind auch in der Nacht eine gute und liebevolle Betreuung und vor allem Hilfe bekommt. Von anderen Eltern, die alles tun wollen, damit es Eurem Kind so gut wie möglich geht! Wie würdet Ihr reagieren, wenn in der Leitstelle keiner den Notruf beantwortet? Oder wenn die diensthabende Kinderärztin Euch am Telefon zwar antwortet, aber Euch leider nicht helfen kann, weil ihre eigenen Kinder im eigenen Bett schlafen sollen und sie ihnen nicht von der Seite weichen möchte? Nur Singles in medizinischen Berufen einzusetzen oder aber Kinderlose – wie vor Wochen einmal in einem Post auf der FB-Seite “KITA, Kindergarten und Schule” gefordert wurde, ist utopisch. Nicht jeder, der mit dem Medizinstudium beginnt, weiß nach dem Abitur schon, wie die spätere Familienplanung einmal aussehen soll. Sollen 18-Jährige schon eine bewusste und endgültige Entscheidung für oder gegen Kinder treffen müssen, damit ihnen später niemand vorwirft, aus egoistischen Gründen auch nachts im Krankenhaus zu arbeiten? Gehören nicht gerade Ärzte und Pflegepersonal zu den am wenigsten egoistischen Berufsgruppen? Personen, die Leben retten, Wunden versorgen, trösten und die Bettpfannen leeren? Und das für ihnen wildfremde Personen?

24-Stunden-Kitas als familienfreundliche Alternative?

Natürlich darf jeder seine Meinung zu einem Thema haben (das hier ist ja auch eine), aber trotzdem sollte auf den respektvollen Umgang miteinander geachtet werden. Statt also eine Mutter für den nächtlichen Einsatz im Dienste anderer als Rabenmutter zu betiteln, sollte man ihr dafür danken, dass sie auch andere begluckt. 24-Stunden-Kitas sind für die Kinder sicherlich nicht optimal, aber für Familien, die aus beruflichen Gründen dringend ab und an auf eine nächtliche Betreuung angewiesen sind, eine halbwegs familienfreundliche Alternative. Und ganz sicher: Wenn es sich anders regeln ließe und Arbeitgeber etwa aufgrund des Pflegenotstandes nicht darauf bestehen müssten, dass auch Mütter und Väter in der Nacht eingesetzt werden, wären all diese Mamas und Papas nachts liebend gerne bei ihren Kindern. Das können sie aber oft nicht, da sie sonst ihren Job verlieren würden und die Familie damit eine wichtige finanzielle Grundlage.

Zeit, um einmal “Danke” zu sagen…

Eltern, die im Schichtdienst arbeiten, haben häufig Schwierigkeiten, die Betreuung der eigenen Kinder optimal zu regeln. (Foto: DoraZett / Adobe Stock)

Warum nur glauben einige wirklich, dass Eltern, die so viel Nächstenliebe praktizieren, auf eigene Kinder verzichten sollten? Um die Kinder anderer zu jeder Tages- und Nachtzeit pflegen zu können? Davon abgesehen sind vermutlich beide – Eltern und Kinder – froh, wenn sie am frühen Morgen – nach der Nachtschicht – wieder zusammen sind. Wenn sie gemeinsam am Frühstückstisch sitzen und frische Brötchen schmieren. Die übrigens auch jemand gebacken hat, der nachts die Betreuung seiner Kinder irgendwie regeln muss. Im besten Fall ist wie gesagt der Ehepartner zu Hause. Doch wer keinen hat, der braucht dringend eine Alternative wie die 24-Stunden-Kitas und Erzieherinnen und Erzieher, die ebenso wie Pflegepersonal oder Ärzte, in der Nacht aufopferungsvoll für die Kinder anderer da sind. Vielen Dank dafür!

 

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Nadine
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Nadine - Freie Journalistin, Redakteurin sowie Geprüfte Übersetzerin für Italienisch - und Mama einer zweijährigen Kitamaus, die das Leben ganz schön spannend macht.

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