“Die lange Reise im Fahrstuhl” von Isabel Acker (Text) und Eva Künzel (Illustrationen) lag hier zugegeben ziemlich lange rum. Liebe auf den ersten Blick war es definitiv nicht: Die Gesichter der Figuren zu blass, die Farben alle gedeckt. Eine richtige Handlung oder ein Spannungsbogen? Auch nicht wirklich. Schwierig für ein Kinderbuch. Und doch: Es gibt so etwas wie Liebe auf den zweiten Blick.
Darum geht es in “Die lange Reise im Fahrstuhl”
Als Familie Sahin im 20. Stock eines Hochhauses in den Aufzug steigt, ist die Reise bis ins Erdgeschoss noch lang. Die Familie stammt aus Syrien. Herr Sahin ist kurdischer Arzt, die drei Kinder gehen an die Uni, in die Grundschule und in den Kindergarten. Eine normale Familie, die bei ihrer Reise ins Erdgeschoss auf weitere Hausbewohner trifft. Und die sind ziemlich international aufgestellt: Neben Iveta Kovacz, einer verwitweten Fabrikarbeiterin im Ruhestand, steigen etwa auch der brasilianische Musiker Paulo Santos, der deutsche Lokführer Stefan Vögele mit seiner Tochter Emilia oder auch die Sozialpädagogin und Tanzlehrerin Malou Ntsama aus Kamerun zu. In jedem Stockwerk wohnen Personen anderer Nationen, die teils mit Hund und Kater oder auch mit dem Fahrrad zusteigen möchten und nicht immer Platz finden. Denn Max, der Hund von Paulo Santos, und Bono, der Hund von Iveta Kovacz, verstehen sich zum Beispiel gar nicht. Das Zusammenleben der Menschen im Hochhaus scheint jedoch harmonisch. Paulo Santos umarmt die Studentin Sema Sahin, die Mädchen des Hauses spielen miteinander und im Erdgeschoss angekommen, rufen alles Hausbewohner “Tschüss” oder “Auf Wiedersehen”.
Wertvoller Beitrag zur Integration
Die Reise ist damit beendet, die Geschichte zu Ende erzählt. So zumindest der allererste Eindruck. Doch dieses Buch kann viel mehr als es auf den ersten Blick vermuten lässt: Es leistet einen wertvollen Beitrag zur Integration, klärt auf, zeigt die Vielschichtigkeit der Gesellschaft und vermittelt ganz versteckt über detailreiche Wandillustrationen von Eva Künzel so viel Wissen zu den einzelnen Ländern, dass auch Erwachsene noch einiges dazulernen können. Oder hättet Ihr gewusst, dass es in Bulgarien Steinhühner gibt, dass es in Sibirien Wohnzelte gibt, die “Tschum” heißen oder dass in Syrien ein Baum mit dem Namen “Aleppo-Kiefer” wächst?
Mit dem Umblättern einer Doppelseite fährt der Fahrstuhl tiefer. Man erhascht einen Blick in den sich wieder öffnenden Fahrstuhl, sieht die sich verändernden Interaktionen der Hausbewohner, schmunzelt über so manches Details und lernt vor allem die Person kennen, die jetzt in den Fahrstuhl steigen möchte. Die Wandillustrationen sind vom Herkunftsort der zusteigenden Hausbewohner abhängig, zeigen die Lage des Landes auf der Weltkarte, zeigen die Flagge dieses Landes, Nationalgerichte oder auch Besonderheiten von Flora und Fauna. Alles dabei so dezent im Hintergrund gehalten, dass man diese Details auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt, sie den Blick nicht von den Bewohnern des Hauses lenken.
Und somit ist die Reise mit dem Erreichen des Erdgeschosses keineswegs beendet, denn genauso oder ähnlich wird es an vielen Tagen in diesem Hochhaus aussehen. Es lohnt sich definitiv, die Reise gemeinsam mit den Bewohnern häufiger anzutreten, denn es gibt definitiv viel über Länder und Leute zu entdecken. Vielleicht setzt sich so sogar die Einsicht fest, dass ein interkulturelles Miteinander mehr als bereichernd ist und Lokführer Stefan Vögel mit seiner Tochter Emilia sowie der pensionierte Zimmermann Franz Kaiser aus Österreich eine wundervolle Hausgemeinschaft haben. -Schön wäre diese Erkenntnis definitiv!
KURZFAZIT: “Die lange Reise im Fahrstuhl” von Isabel Acker leistet einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung und zeigt, wie gut das Zusammenleben verschiedener Kulturen auch auf engstem Raum funktionieren kann. Die Illustrationen von Eva Künzel zeigen dabei viele interessante Facetten auf und vermitteln ganz versteckt viel Wissenswertes über die Nationen der Hausbewohner. Genauso sollte Integration funktionieren!Weitere Infos zu “Die lange Reise im Fahrstuhl”
- Titel: “Die lange Reise im Fahrstuhl”
- Autorin: Isabel Acker
- Verlag: Alibri Kinderbuch
- Seitenzahl: 32 Seiten
- ISBN: 978-3865692641
- Preis: 14 Euro
- Altersempfehlung: 0 bis 6 Jahre / Kitamaus-Einschätzung: 4 bis 7 Jahre
Direkt bestellen könnt Ihr das Buch hier (Amazon-Partnerlink).
Alibri Kinderbuch vielen Dank für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!
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