Anvisiert war zunächst der 5. April: Pünktlich zu Beginn der Osterferien in Belgien sollte das öffentliche Leben wieder seinen ganz normalen Gang gehen. Aber in den letzten Tagen wurde deutlich, dass das Coronavirus bis dahin nicht so einfach verschwinden wird. Nun gelten die Corona-Schutzmaßnahmen mindestens bis zum 19. April, also bis zum Ende der Osterferien.
Das hat der Nationale Sicherheitsrat am Freitag (27. März) beschlossen. Sollte sich bis dahin die Zahl der Krankenhauseinweisungen nicht verbessern, wird der Lockdown um weitere zwei Wochen verlängert – bis zum 3. Mai. Noch weitere Verlängerungen dürften wohl nicht ausgeschlossen sein.
“Laut Virologen zeigt sich zwar eine Verlangsamung des exponentiellen Wachstums der Epidemie”, wie Premierministerin Sophie Wilmès bei der Pressekonferenz nach der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats sagte. Das sei an sich eine gute Nachricht. “Aber die Virologen sagen auch klipp und klar, dass es viel zu früh ist, sagen zu können, dass die Epidemie unter Kontrolle ist.” Die Premierministerin fand denn auch deutliche Worte: “Wir stehen erst am Anfang unserer Bemühungen. Wenn wir jetzt nachlassen, könnte das schwerwiegende Folgen haben.” Wilmès rief alle Bürger auf, die bereits ergriffenen Maßnahmen strikt einzuhalten. “Einige müssen ein großes Opfer bringen. Aber die Gesundheit geht vor.”
Die Schutzmaßnahmen wurden ganz leicht verschärft: Wir dürfen weiterhin nach draußen – nicht nur für absolut notwendige Dinge wie zum Einkaufen, zum Arzt, zur Apotheke oder zur Post gehen. Aktivitäten wie Joggen, Spazierengehen oder Fahrradfahren sind noch erlaubt. Körperliche Aktivitäten im Freien werden sogar empfohlen. Somit sind bislang auch alle großen Parks in Antwerpen noch für die Öffentlichkeit zugänglich.
Einzige Einschränkung bisher: Man darf das alles nur als Einzelperson machen oder zusammen mit den Menschen, die unter demselben Dach wohnen – und natürlich in gebührendem Abstand zu allen anderen Menschen. Gebührend bedeutet einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu halten.
Stundenlang im Park sitzen ist verboten
Seit Freitag gilt zusätzlich, dass man sich nur “so lange im Freien aufhalten sollte, wie es zum Gehen, Laufen oder Radfahren nötig ist”. Man muss dabei ständig in Bewegung bleiben und darf nicht etwa stundenlang auf einer Bank im Park sitzen. “Diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, werden bestraft”, sagte Wilmès. Sie kündigte an, in Kürze ein System zur sofortigen Einziehung von Bußgeldern einzuführen.”
Auf die Frage, ob lange Radtouren erlaubt sind, meinte die Regierungschefin nur, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen müsse. Personen mit eingeschränkter Mobilität wird es voraussichtlich erlaubt werden, mit dem Auto zu einem Park fahren zu dürfen.
Die Schulen müssen weiterhin eine Notbetreuung anbieten. Konnte anfangs praktisch jeder sein Kind noch zur Schule geben, der ansonsten keine Möglichkeit zur Betreuung hatte (was aber kaum einer ausgenutzt hat), so ist die Notbetreuung nur noch Kindern vorbehalten, deren Eltern einen systemrelevanten Beruf ausüben. Darunter fallen unter anderem Ärzte, Pflegekräfte, Polizei- und Sicherheitsdienste. Auch während der Osterferien müssen die Schulen eine Betreuung organisieren.
Grund für die zunächst für zwei Wochen verlängerte Ausgehsperre sind die in den zurückliegenden Tagen steigenden Zahlen der Infizierten und der Todesfälle. Die aktuellen Zahlen des Nationalen Krisenzentrums (Samstag, 28. März):
- In den vergangenen 24 Stunden sind weitere 64 Menschen an den Folgen des neuen Coronavirus gestorben; insgesamt sind es jetzt 353 Tote.
- Weitere 575 Personen wurden ins Krankenhaus eingeliefert.
- 205 Personen durften das Krankenhaus verlassen.
- Insgesamt befinden sich 3.717 Menschen im Krankenhaus, davon 789 auf der Intensivstation; das entspricht einer Zunahme von 99 Patienten an einem Tag.
- 579 Menschen wurden künstlich beatmet, 81 für mehr als 24 Stunden. In den letzten 24 Stunden wurden 1.850 neue bestätigte Fälle gemeldet. Die Gesamtzahl der bestätigten Infektionen in unserem Land liegt nun bei 9.134.
Für den steilen Anstieg bei den neuen bestätigten Fällen hat der Virologe Steven Van Gucht eine Erklärung: “Es gibt ein großes Labor in der Wallonie, das bisher keine Zahlen gemeldet hat und diese nun weitergeleitet hat. Es wurden auch Fälle gemeldet, die nicht alle von gestern waren.” Zudem würden mehr Tests durchgeführt und es gebe mehr Laborkapazitäten. Insgesamt wurden laut Van Gucht bereits 44.500 Tests durchgeführt.
Bereits vor einer Woche hatte Belgien alle Grenzen geschlossen. Seitdem führt die Polizei Kontrollen durch. Über die Grenze darf nur noch fahren, wer einen triftigen Grund dafür hat. Dazu gehören die sogenannten Grenzgänger, die in einem anderen Land arbeiten.
Home Office mit Mann und Kind
Die Coronavirus-Situation ist bei uns in Belgien also lange nicht so angespannt und schrecklich wie in Italien, Spanien oder in Frankreich. Unser soziales Leben ist zwar momentan eingeschränkt – so wie mittlerweile fast überall in Europa. Die fehlenden persönlichen Kontakte zu den Omas, zu Tante, Onkel und Cousinen und zu Freunden versuchen wir mit Video-Chats so gut wie möglich aufrechtzuerhalten.
Allerdings versteht unser 4-Jähriger nicht so ganz, weshalb er momentan nicht zu seinen Omas, Cousinen und Schulfreunde darf. Auch warum wir weder in Schwimmbad noch auf den Spielplatz oder in den Zoo zu den Fischen und Seehunden und Seelöwen gehen dürfen, ist ihm nicht klar. Wir erklären ihm dann, dass das an einem fiesen kleinen Virus liegt, der die Menschen krank macht. Mehr muss er unserem Empfinden nach auch nicht wissen.
Zumindest dürfen wir ja noch raus. Das Wäldchen, das praktisch direkt vor unserer Haustür liegt, mit den wilden Pferden und Rindviechern, war wohl noch nie so beliebt wie momentan. Beim letzten Kind-Mama-Fitness-Waldausflug mit über umgestürzte Baumstämme balancieren, springen, ist mir aufgefallen, dass sich leider einige nicht an die 1,5-Meter-Abstandsregel halten – als ob das nur im Supermarkt oder auf der Straße gilt, nicht aber in der freien Natur. Also geht es mit unserem 4-Jährigen nun am frühen Morgen raus in die Natur. Die meisten Tage bleiben wir aber lieber daheim.
Im Großen und Ganzen sieht man bei uns in den umliegenden Straßen aber kaum Menschen oder Autos. Die Busse machen oft Leerfahrten.
Woran ich mich grad extrem gewöhnen muss – so wie Millionen von Eltern europaweit: In meinem Home Office laufen nun ständig zwei „neue Mitarbeiter“ rum. Irgendwie hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt: Home Office zu zweit + Kinderbetreuung = Irgendjemand wird tagsüber schon immer Zeit haben, Sohnemann kreativ und vielleicht sogar pädagogisch sinnvoll zu entertainen. Das Kind nicht nur spielen zu lassen, sondern es spielend auch etwas lernen zu lassen. Die Bewegung und das Basteln kommen natürlich auch nicht zu kurz. Ganz wichtig auch: Seinem Tag Struktur geben und versuchen, den Vorschul-Rhythmus beizubehalten. Und die eigene Berufsarbeit auch noch erledigen. Das sollte zu schaffen sein. Dachte ich.
Klappt bislang aber nicht so wirklich. An manchen besonders arbeitsintensiven Tagen wird unser Sprössling vor dem Tablet „geparkt“ und nur halbherzig bespaßt. Das macht mir ein furchtbar schlechtes Gewissen, was aber auch auf seine Weise kontraproduktiv ist. Denn dann will ich beim Artikelschreiben und der Recherche Gas geben, damit der Kleine nicht länger als nötig vor der Tablet-Glotze hängt. Die Folge: Ich werde zu zappelig und nervös, um etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Also dauert es im Gegenteil manchmal sogar noch länger, bis ein Artikel steht. Ich hoffe, dass wir schnell einen Tagesrhythmus finden, der uns über die folgenden Wochen bringt.
Zum Glück bekommen nun auch die Vorschulkinder an unserer Vor- und Grundschule „Hausaufgaben“. Sprich die Eltern Tipps, was man mit den Kids den ganzen lieben langen Tag anfangen kann. Lapidarer Kommentar vom Kleinen: „Mama, du bist nicht meine Juf (so nennt man im Belgischen die Erzieherinnen). Du bist Mama!“ Das kann ja noch heiter werden…
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